Diakon im und mit Zivilberuf - Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2001

                        Zu meiner Person und Familie: geb. am 5. April 1947, seit 1969 verheiratet, mit Maria,
                        die als Montagearbeiterin in Vollzeit beschäftigt ist.
                        Wir haben einen Sohn, 31 Jahre alt und eine Tochter die 24 Jahre alt ist.
                        Zu mir selbst: im Hauptberuf Werkzeugmacher, also Metallfacharbeiter, der seit 1977
                        freigestellter Betriebsratsvorsitzender ist. Ich arbeite in einer Firma mit ca. 1.250
                        Mitarbeitern, für die ich als Ansprechpartner zur Verfügung stehen muß mit all ihren
                        Sorgen, Problemen und Nöten, sei es am Arbeitsplatz selbst oder im privaten,
                        persönlichen Bereich.

                        Meine Tätigkeit hier vor Ort war eigentlich die Motivation, Diakon zu werden, um den
                        Menschen nicht nur in ihren leiblichen Nöten nahe zu sein, sondern auch in ihren
                        seelischen. Gottes Liebe durch menschliche Zuwendung erfahrbar zu machen, zu
                        zeigen: Ich habe Zeit für dich, ich bin da! Oft auch nur als stiller Zuhörer, wenn sich
                        jemand etwas von der Seele reden will, wie man so schön sagt. Ich glaube, daß für den
                        Menschen da zu sein, ihn zu begleiten, zu ihm zu stehen, wohl das Wichtigste dabei ist.

                        Bestätigung erfahre ich dadurch, daß viele Menschen - und sie kommen aus vier
                        Dekanaten - offen mit allen Fragen kommen. Oft auch mit dem ersten Hinweis über eine
                        mögliche Heirat, Taufe usw., daß sie zuerst mit mir sprechen, weil sie zu ihrem Pfarrer
                        doch nicht (was eigentlich schade ist) einen so guten Draht haben, um alles so von
                        Mensch zu Mensch besprechen zu können.

                        Die Beziehungen zu den Gemeindemitgliedern wie zu den Arbeitskollegen sind sowohl
                        nach wie vor meiner Weihe im November 1989 Gott sei Dank dieselben geblieben.
                        Ich finde, man darf und soll nicht anders sein, nicht der Amtsträger, sondern der Mensch
                        ist in seiner Art der Begegnung gefragt und gefordert.
                        Ich finde es sehr wichtig, daß ich bei allen der Karl-Heinz geblieben und nicht der
                        "Herr Diakon" geworden bin. Dann ist auch das Zeugnis, das man gibt, glaubhaft.

                        Es war am Anfang der achtziger Jahre, als ich Kommunionhelfer wurde, schwerer.
                        Da hieß es in Gewerkschaftskreisen: "der ,Schwarze‘ da" und in der Kirchengemeinde:
                        "was will der ,Rote‘ dort". Aber wenn man ganz konsequent den Weg geht,
                        zu dem man sich berufen fühlt und versucht, allen gleich nahe zu sein, wird man
                        akzeptiert und das gegebene Zeugnis ist für alle glaubhaft.

                        Was als Diakon mit Zivilberuf problematisch ist, ist die Zeit. Man müßte noch viel mehr
                        davon haben als man hat. Fünfunddreißig Arbeitsstunden in der Firma und oft zwanzig
                        Stunden im diakonischen Dienst sind nicht nur für einen selber, sondern auch für die
                        Familie belastend.

                        Man muß mit viel Weitsicht auch das die eigene Familie Betreffende vorausplanen.
                        Meine Frau sagt immer, ich müsse noch lernen, auch einmal nein zu sagen und nicht
                        alle Terminvorstellungen so akzeptieren, wie es z.B. die Brautleute oder jungen Eltern
                        wünschen, damit ja ihr eigener Termin-Kalender nicht durcheinanderkommt. Hier muß
                        man auch immer wieder in der eigenen Familie diskutieren und gemeinsam den Weg
                        festmachen, den man geht.

                        Der Diakonat muß im Interesse der Kirche Zukunft haben. Nur müßte noch viel mehr
                        getan werden, um ihn in jeder Gemeinde bekannt zu machen. Gerade - und das ist
                        meine persönliche Erfahrung - zum verheirateten Diakon haben viele Gemeinde-
                        mitglieder einen besseren Draht als zum Gemeinde-Pfarrer.
                        Hier wird über viele Tabus offener gesprochen und diskutiert als mit einem Priester,
                        weil viele Fragen eben Familienerfahrung, Umgang im täglichen Leben mit den Kindern
                        oder die eheliche Partnerschaft berühren.



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